Eignungsdiagnostik in der Personalauswahl: Verzerrungseffekte und Bewerberinterview

Eignungsdiagnostik – Personalauswahl: In unserem ersten Beitrag zum Thema Personalauswahl sind wir auf die Grundlagen des Auswahlprozesses eingegangen. Wir haben unterschiedliche Verfahren vorgestellt und die Bedeutung der Stellenanzeige herausgestellt. In diesem zweiten Teil unserer Beitragsreihe konzentrieren wir uns auf die Verzerrungseffekte, die im Rahmen des Personalauswahlprozesses auftauchen können und gehen konkret auf das Bewerberinterview ein.

Was ist der Unterschied zwischen einem strukturierten Interview und einem unstrukturierten Interview? Welche Fragen müssen Sie stellen und welche nicht? Denn es gibt sie, gute und schlechte Fragen.

Wenn bei der Personalauswahl Verzerrungseffekte auftreten. Das Thema  Eignungsdiagnostik Personalauswahl ist nicht zu unterschätzen

Es dauert weniger als 60 Sekunden, bis sich der erste Eindruck über jemanden entwickelt hat. Und bevor wir die Person überhaupt kennengelernt haben, hat sich dieses Bild bereits unbewusst bei uns festgesetzt. Was von der Wissenschaft bestimmt wurde, bedeutet nicht, dass Personalverantwortliche Kandidaten auf der Grundlage dieses Prinzips einstellen sollten. Der Prozess der Personalauswahl ist komplex und dauert seine Zeit. Sie möchten sich ein möglichst umfassendes Bild von jedem Bewerber machen? Doch was passiert nach dem ersten Eindruck?

Eignungsdiagnostik: Personalauswahl-verfahren machen diesen Punkt besonders wichtig.
Geeignete Kandidaten auswählen – auf diese Verzerrungseffekte sollten Sie achten:

Der Halo-Effekt beschreibt wie ein Beurteilungsmerkmal (z.B. Wortgewandtheit) unbewusst Einfluss auf andere Beurteilungsmerkmale (z.B. Integrität, Sozialverhalten, Zuverlässigkeit) nimmt, dadurch dass der Beurteilende dieses eine Merkmal unbewusst überbewertet. Letztlich hat der Beurteilende nicht mehrere Merkmale bewertet, sondern „nur“ eins.

Der Nikolaus-Effekt (Synonym: Recency Effect) beschreibt die Tatsache, dass sich der Beurteilende in seiner Bewertung insbesondere auf die Antworten fokussiert, welche kürzlich gegeben wurden, d.h. dass Antworten zum Ende eines Gesprächs unbewusst mehr Einfluss auf die Bewertung bekommen können.

Mit dem Primacy-Effekt (Synonym: First-Impression-Effekt) wird in der Regel die Verzerrung beschrieben, in der der Beurteilende während einer Beurteilungsperiode zuerst erhaltene Informationen / Eindrücke höher bewertet und diese somit eine größere Wirkung bei der Beurteilung einnehmen.  Informationen / Eindrücke, die später auftreten werden unbewusst weniger Einfluss auf die Bewertung bekommen.

Mitarbeitende, die über einen längeren Zeitraum nicht befördert wurden, werden durch den Kleber-Effekt unbewusst unterschätzt und dementsprechend schlechter bewertet als Kollegen, die über einen kurzen Zeitraum aufgestiegen sind.

Ähnlich verhält es sich mit dem Hierarchie-Effekt. Beurteilende bewerten Mitarbeitende, welche in der Hierarchie „höher“ angesiedelt sind unbewusst besser.

Wer kennt ihn nicht? Den Lorbeereffekt! Dieser beschreibt die Verzerrung, dass in der Vergangenheit eingeheimste Lorbeeren bei der aktuellen Bewertung berücksichtigt werden und somit unbewusst die eigentliche Beurteilung beeinflusst wird, ohne dass diese in einem Zusammenhang stehen.

Der Andorra-Effekt beschreibt eine Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung des Beurteilenden bzw. des zu Beurteilenden, d.h. die Prognose bzw. Vorhersage oder Annahme (Mitarbeiter XY wird den Erwartungen an die Position nicht gerecht) trifft ein.

Bei der Tendenz zur Mitte, Milde und Strenge geschieht jeweils eine unzutreffende Maßstabsanwendung, da Kriterien entweder eher durchschnittlich zu mild oder zu streng bewertet werden.

Im Falle des Sympathiefehlers wird eine verzerrte Maßstabsanwendung durch den Beurteilenden betrieben, d.h. dem Beurteilenden sympathisch erscheinende Mitarbeitende werden unbewusst besser bewertet. Der Antipathie-Effekt beschreibt dasselbe Verhalten bei unsympathisch erscheinenden Personen.

Qualifizierte Personalentscheidungen treffen: strukturierte und unstrukturierte Befragung der Kandidaten.

„Unstrukturierte Interviews sind Befragungen, denen kein einheitlicher systematischer und vor allem zielgerichteter Leitfaden zugrunde liegt. Dies führt dazu, dass unterschiedlichen Bewerbenden ein stark variierender Fragenkatalog gestellt wird. Außerdem gibt es meist nur einen Interviewenden. Beim unstrukturierten Einstellungsinterview fehlen zudem die detaillierte Anforderungsanalyse und ein darauf aufbauendes Bewertungssystem für die optimalen Antworten der Bewerbenden.“

Gut bzw. hochstrukturierte Interviews sind  die beste Methode für Ihr Unternehmen, um die besten Kandidaten für die jeweils ausgeschriebene Position zu finden. Im Vergleich zu einem unstrukturierten Interview (was 97% der deutschen Unternehmen tun) liefert diese Methode eine achtmal höhere Trefferquote, um den richtigen Kandidaten zu ermitteln (Huffcutt & Arthur 1994, Kanning 2016).

Entscheidend ist, dass Sie einen strukturierten Personalauswahlprozess sinnvoll nutzen, damit Sie zwei entscheidende Vorteile gegenüber Ihrer Konkurrenz erlangen können. Erstens, Sie können eine geringere Fluktuation erreichen, da Sie die für die Position bzw. die Stelle geeigneten Kandidaten finden und somit auf lange Sicht Zeit und Geld (u.a. durch kosten- und zeitintensive Auswahlprozesse und On- und Offboardingmaßnahmen, welche wegfallen) sparen. Zweitens, Sie setzen die Menschen entsprechend ihrer Stärken und Kompetenzen an den richtigen Stellen im Unternehmen ein, sodass diese ihr volles Potenzial entfalten können. Somit bleiben Sie als Unternehmen nicht nur wettbewerbsfähig, sondern sind 97 % aller Unternehmen voraus.

Wir sind uns sicher, dass Sie sich bereits Gedanken gemacht haben wie Sie Ihre Interviews strukturieren. Doch was zeichnet ein hochstrukturiertes Interview aus und macht es so zu einem geeigneten Verfahren in der Personalauswahl?

  • Mehrere Interviewer einsetzen: Auf diese Weise vermeiden Sie, dass die in diesem Artikel aufgeführten Verzerrungen die größtmögliche Wirkung haben. Allein die Anwesenheit eines zweiten Interviewenden sorgt dafür, dass Subjektivität reduziert wird, etwa dadurch, dass der zweite Gesprächspartner den Interviewer korrigiert oder auch aktiv Nachfragen stellt.
  • Erstellen Sie eine Anforderungsanalyse VOR dem Interview: Bevor Sie in das Interview gehen, ist es wichtig, dass Sie sich zu den Anforderungen an die Position und die damit einhergehenden Erwartungen und Kompetenzen an den zukünftigen Mitarbeitenden Gedanken machen. Wir empfehlen, dass Sie hierzu Gespräche mit den jeweils Betroffenen (zukünftige Kollegen, Mitarbeitende aus Teams oder Abteilungen) führen, um herauszufinden, welche fachlichen und sozialen Kompetenzen erforderlich sind und welche Art von Fähigkeiten, die Position im Sinne des Unternehmens auszufüllen, erforderlich sind.
  • Interviewleitfaden mit dazugehörigem Fragenkatalog: Die Herausforderung eines Interviews besteht darin, dieses auf der einen Seite strukturiert zu gestalten, um an die gewünschten Informationen zu kommen und gleichzeitig so offen und flexibel zu sein, dass sich der Bewerbende wohl fühlt und demzufolge auch öffnet, damit sie ihn als Person kennenlernen und wahrnehmen können. Mit der Anforderungsanalyse als Grundlage können Sie einen detaillierten Interviewleitfaden mit konkreten Fragen entstehen lassen, welcher Ihnen zur Orientierung dienen kann.

Auswahl geeigneter Kandidaten: Gibt es gute und schlechte Fragen während des Bewerbungsgesprächs?

Ein gutes Gespräch zeichnet sich durch gute Fragen aus, so verhält es sich auch beim Bewerberinterview. Damit dieses seinem Namen auch gerecht wird und Sie die nötigen Informationen erhalten bzw. bekommen sind folgende Fragen entscheidend:

  • Biografische Fragen beziehen sich auf die Vergangenheit und die Biografie des Bewerbenden
  • Situative Fragen, um herauszufinden, was im Rahmen der gemeinsamen Zusammenarbeit im  Unternehmen passieren kann.
  • Fachliche Fragen, um die Fähigkeiten und Kompetenzen des Bewerbenden zu testen bzw. zu hinterfragen.

Es ist wichtig, dass Sie nicht nur Fragen aus einer Kategorien stellen, sondern sinnvoll und der Position angemessen „mixen“. Die Eignungsdiagnostik der Personalauswahl sollte stets im Hinterkopf behalten werden, um gute Entscheidungen treffen zu können …

Das Wer ist wichtiger als das Was.

 

– Ray Dalio –

Erst dann werden die Antworten auf die Fragen und die Aussagekraft dieser Antworten belastbar für die Beurteilung der Kompetenzen des Bewerbenden, und eine Voraussage des beruflichen Erfolgs im Ansatz möglich. An dieser Stelle empfehlen wir Ihnen, in Ihrer Anforderungsanalyse die Faktoren zu gewichten, die Sie für diese Position als besonders wichtig erachten. Da verschiedene Positionen unterschiedliche Prioritäten haben können, empfehlen wir das Interview nach diesen Prioritäten zu strukturieren und  speziell abzufragen.

Ebenso wichtig und entscheidend ist es, für eine Vergleichbarkeit der Antworten und Ergebnisse zu sorgen, sodass Sie ein einheitliches Bewertungssystem bekommen. Im konkreten Sinne bedeutet dies, dass Sie sich zu möglichen Skalen und Bewertungspunkte im Vorfeld Gedanken gemacht haben. Tun Sie das nicht, laufen Sie Gefahr, völlig unterschiedliche Interviews zu führen. Zu allem Übel stellen Sie aufgrund die Uneinheitlichkeit am Ende des ganzen Personalauswahlprozesses „den Falschen“ bzw. „die Falsche“ ein – ein kostspieliger Fehler, den Sie

Sie merken mittlerweile wie hoch komplex dieser Prozess ist und wie viel Arbeit in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung steckt? Gut.

Stellen Sie richtig ein, denn die Strafe für die falsche Entscheidung ist groß.

 

– Ray Dalio –

Was wir dringend empfehlen ist: Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um Ihren Personalauswahlprozess zu planen, zu strukturieren und zu gestalten. Es ist eine Investition in die Zukunft, und es wird sich auszahlen, weil Sie „die Besten“ für Ihr Unternehmen finden werden. Gerne begleiten wir Sie auf Ihrem Weg. Hier erfahren Sie mehr zum Thema strukturierte Personalauswahl.

Eignungsdiagnostik Personalauswahl – BELIEBTE FRAGEN ZUM THEMA (FAQ):

Wie funktioniert Personalauswahl?

Die Personalauswahl erfolgt im Idealfall nach einem konkret festgelegten Standard bzw. Prozess und darauf ausgerichteten Kriterien, welche die Bewerbenden erfüllen müssen für eine ausgeschriebene Position.

Welche Möglichkeiten der Personalauswahl gibt es?

Sie können “direkte” und “indirekte” Methoden anwenden. Als indirekt bezeichnen wir u.a. das Abschluss- und / oder Arbeitszeugnis anhand dessen Sie sich ein Bild machen. Direkte Methoden sind u.a. das Vorstellungsinterview, Eignungs- und Leistungstests sowie Arbeitsproben bei denen Sie direkt mit dem Bewerbenden in Kontakt kommen und die Tauglichkeit für die ausgeschriebene Position prüfen können.

Welche Kriterien müssen bei der Personalauswahl beachtet werden?

Die Kriterien woran Bewerbende im Personalauswahlprozess gemessen werden legt jedes Unternehmen individuell fest. Entscheidend ist, dass die Kriterien stimmig sind mit den im Unternehmen vorherrschenden Werte und der gelebten Unternehmenskultur.

Was macht die Eignungsdiagnostik?

Die Eignungsdiagnostik beschäftigt sich mit Methoden zur Prüfung der Tauglichkeit von Bewerbenden auf die ausgeschriebene Position.

Was ist ein Bewerberauswahlverfahren?

Ein Bewerberauswahlverfahren kann z.B. ein Assessment Center oder aber ein Eignungs- und Leistungstest sein anhand dessen Bewerber für die ausgeschriebene Position auf Tauglichkeit getestet und ausgewählt werden.

Fazit: Das Thema Eignungsdiagnostik –  Personalauswahl ist ein bedeutend und hat großes Potential

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Wirtschaftspsychologe, Strategie- und Organisationsberater

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