Systemische Organisationsberatung: Einführung in den Beratungsansatz

Was bedeutet Systemische Organisationsberatung? Nun, zunächst ist der Begriff des Beraters ist ein Begriff, welcher in vielen Kontexten verwendet wird. In den letzten zehn Jahren sind viele Ausbildungen und Zertifizierungen entwickelt worden, wonach man sich als ausgebildeter Berater für etwas bezeichnen darf. Auch ich werde oft gefragt was ich denn eigentlich mache und wodurch sich meine Arbeit als „Berater“ auszeichnet.

 

Das alte Verständnis von Beratung kommt an Grenzen

 

Während meines Studiums der Wirtschaftspsychologie habe ich ein Bild vom Beratertum entwickelt, was sich grundlegend von einer in der Wirtschaft weit verbreiteten Ansicht unterscheidet. Oftmals wird ein Berater als ein Experte angesehen, der in ein Unternehmen oder eine Organisation kommt und seine eigenen bzw. standardisierte Lösungen für die Problemstellung vor Ort mitbringt. Auch ich gebe zu, dass ich zu Beginn meiner Berufslaufbahn ein ähnliches Bild von einem Berater vor meinem inneren Auge hatte und in verschiedenen Situationen so agiert habe. Doch schon nach kurzer Zeit kam ich in meinen ersten Anstellungen an Grenzen, da meine Lösungen für gewisse Probleme nicht umgesetzt wurden. Ich fragte mich aus welchem Grund das so ist. Schließlich hatte ich das Problem gründlich analysiert, eine Lösung entwickelt, die aus meiner Sicht alle Aspekte des Problems berücksichtigt und löst und nun musste es NUR noch von den anderen umgesetzt werden. So landete ich im Endeffekt beim Studium der Wirtschaftspsychologie und lernte das Gebot Hilfe zur Selbsthilfe kennen. Nun befinde ich mich in einer Führungsposition und habe mein Studium bereits seit drei Jahren abgeschlossen. Ich fühle mich längst noch nicht vollkommen was meine Führungsqualitäten und -kompetenzen betrifft und aus diesem Grund habe ich mich für eine berufsbegleitende Ausbildung zum Systemischen Organisationsberater entschieden.

 

Systemische Organisationsberatung: Bestätigung und Irritation

 

In der letzten Woche hatte ich mein erstes Modul. Drei Tage lang haben wir uns in der Ausbildungsgruppe zunächst einmal kennengelernt und intensiv mit dem Thema „Was ist Systemische Organisationsberatung eigentlich?“ beschäftigt. Viele der Inhalte und auch Methoden sind mir bereits aus meinem Studium bekannt und gleichzeitig betrachte ich sie heute aus einem komplett anderen Blickwinkel als noch vor 3 Jahren. Der Erkenntnisgewinn war für mich groß.

 

„Organisation sind Orte, an den (…) Menschen sich treffen, und dadurch entsteht Reibung – Konflikt.“

 

Fredmund Malik

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man als systemischer Organisationsberater Unternehmen und Organisationen als Problemlösemodelle betrachtet. Im Rahmen der Zusammenarbeit ist es das oberste Ziel als Berater mit dem Klienten einen gemeinsamen Schwingungszustand zu erreichen. Hiermit ist gemeint, dass Kommunikation in Resonanz stattfinden muss, was nichts anderes heißt wie auf Augenhöhe. Jetzt mögen sie sich vielleicht denken, dass das keine außergewöhnliche und vor allem welterschütternde Erkenntnis für einen studierten Wirtschaftspsychologen sein sollte. Das war und ist es auch nicht und dennoch steckt hier aus meiner Sicht die Krux für alle Systemischen Organisationsberater.

Eine Kommunikation auf Augenhöhe und in einem Zustand in dem sich Klient und Berater auf einer Wellenlänge bewegen stellt vielerorts noch eine Ausnahme dar. Klar, wenn man so will hat es eine Art Paradigmenwechsel in der Beraterszene gegeben und dennoch gibt es noch viele Berater, welche ihre eigenen oder standardisierte Lösungen für jedes Unternehmen mitbringen und dort unter allen Bedingungen implementieren wollen. Dass das nicht funktioniert ist mir nun um so deutlicher geworden, da Beratung bzw. der Beratungsprozess an sich eine Vertrauensbeziehung zwischen Berater und Klient ist. Nur, wenn sich beide Parteien auf Augenhöhe begegnen ist ein gemeinsames Werk möglich. Hier ist es die Aufgabe des Beraters entweder zu bestätigen oder irritieren, niemals aber seine eigenen Lösungen umsetzen zu wollen.

 

Systemtheorie: Erkennen, was wird hier gerade gespielt?

 

Teil dieses ersten Moduls war u.a. die Systemtheorie nach Luhmann. Diese Theorie in sich ist so komplex, dass sie viele Bücher füllt. Ich will daher gar nicht erst versuchen sie in ihrer ganzen Komplexität zu beschreiben und zu erklären. Vielmehr möchte ich meine Erkenntnisse für die Beratung aus dieser Systemtheorie teilen.

Soziale Systeme, wie z.B. Unternehmen, Organisationen, einzelne Teams und Abteilungen, ent- und bestehen nach Luhmann aus Kommunikation. Die Kommunikation im System selbst zeichnet sich durch gewisse Muster aus, welche durch Wiederholung entstehen und die dadurch dem System eine gewisse Stabilität geben. Wichtig bei der Systemtheorie ist, dass jede Person eine Rolle in einem sozialen System einnimmt und es somit immer und in jedem sozialen System zu Differenzen, ja sogar Konflikten, zwischen der eigenen Person und der jeweiligen Rolle im sozialen System kommt. Die Rolle ist das Ergebnis des Aushandlungsprozesses zwischen Organisation und Person.

Sobald in einem Veränderungsprozess ein Berater beauftragt wird um das Unternehmen oder die Organisation zu begleiten entsteht ein neues System, nämlich das Beratungssystem, welches aus dem Berater und dem Klienten (Organisation, Unternehmen, Abteilung, Team) besteht. Da das Klientensystem und somit auch das Beratungssytem oftmals nicht nur aus einem einzigen Klienten besteht ist es wichtig, dass der Berater es schafft in gewisser Art und Weise anzudocken. Anzudocken heißt, dass ich als Berater eine Anschlusskommunikation im Beratungssystem erzeuge und somit wahrgenommen werde. Andocken heißt ebenso, dass ich als Berater das würdige was bereits im System vorhanden ist.

Denn eines steht fest, es gibt kein perfektes soziales System. Aus diesem Grund ist es meine Aufgabe als Berater das bestehende und in seiner Weise angemessene funktionierende System zu würdigen. Ist das nicht der Fall pralle ich an der Geschlossenheit des Systems ab und lande im sogenannten RAUSCHEN.

 

Beratung ist Präsenz und Wirkung

 

Zurück zu den Erkenntnissen aus der zuvor beschriebenen Systemtheorie. Unsere Handlungen und unser tägliches Tun werden zu einem großen Teil von unserem Unbewussten bestimmt und gesteuert. Somit verwundert es oftmals auch nicht, dass der Klient um sein eigentliches Problem weiß und dem Berater gegenüber „nur“ vortäuscht es nicht zu wissen. Aus diesem Grund kann die Systemtheorie auch als Ent-TÄUSCHUNGs-Theorie verstanden werden. Denn einer der Hauptaufgaben des Beraters liegt darin die im System vorhandenen Bild zu ent-täuschen und somit das wirkliche Spiel hinter den Kulissen offen zu legen.

Das ist oftmals ein schmaler Grat auf dem sich systemische Organisationsberater bewegen. Um diesen schmalen Grat erfolgreich gehen zu können sind zwei Dinge entscheidend für einen Berater. Präsenz und Wirkung.

Um diese beiden Begriffe zu erklären gilt es voranzustellen, dass der Berater nie die Verantwortung für das Problem des Klienten übernimmt. Jetzt werden sich einige sicher von Ihnen fragen was dann überhaupt die Aufgabe eines Beraters ist. Die „einzige“ Aufgabe des Beraters im Beratungsprozess ist beim Klienten eine Wahrnehmungserweiterung, in anderen Worten einen Perspektivwechsel oder aber eine Perspektiverweiterung – zu erwirken, damit dieser alternative Hypothesen bzw. neue Erklärungen für sein System und somit zur Problemlösung entwickeln kann.

Damit der Klient in die Lage versetzt wird seine eigene Perspektive zu verändern muss der Berater wissen wo er wirksam ist. Durch den Prozess des Beobachtens/Beschreiben – Erkennen – Bewerten (systemischer Dreischritt) führt der Berater den Klienten sprichwörtlich durch den Beratungsprozess. Im Zuge dieses emotionalen Prozesses ist es wichtig und entscheidend, dass der Berater in der Lage ist den Raum zu halten. Das wiederum heißt der jeweiligen Beratungssituation (Raum/Moment) die entsprechende Würde zu verleihen.

Wie bereits beschrieben ist der Beratungsprozess ein hoch komplexer sowie emotionaler Prozess für beide Seiten, Klient und Berater. Hierfür benötigt es eine Vertrauensbasis um eine Öffnung des Klienten zu erlangen um gemeinsam an einer Problemlösung zu arbeiten. Hierbei steht für den Berater immer die Problem- und Nutzenorientierung für den Klienten im Fokus.

Daher lautet mein Fazit „Was ist Systemische Organisationsberatung eigentlich?“ nach diesem ersten Modul meiner Ausbildung:

„Beratung ist Bestätigung und Irritation und die Ermutigung neue Wege zu gehen.“

UND genau so arbeiten wir …

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Paul-Philipp Moritz
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Wirtschaftspsychologe, Strategie- und Organisationsberater

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
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